Marokko-Fiktion. Mia, Baba, Interview
Neben bunten Karren voller Nüsse und Naschwerk ziehen Dentisten mit rostigen Zangen schmerzende Zähne aus zitternden Mündern. Langgeleinte Affen stibitzen Flaneuren die Eiswaffel aus der Hand. Den Tumult nutzen flinke Langfinger für sich. Dicht um die Geschichtenerzähler drängen sich ganz junge und hoch betagte Zuhörer. Der Wind dreht. Aus engen Gassen weht der atemlähmende Gestank des Gerberviertels. Glückliche Nase, die im frischen Pfefferminzbüschel olfaktorischen Frieden findet…
Stadt. Land. Fluss. Träge mäandert der Asif Mellah durch sein flaches Bett. Schlafenden Schildkröten gleich liegen Sandsäcke im Wasser zwischen beiden Ufern. Brücke für Füße, die statt durch Ockerschlamm waten oder bis zur Steinbrücke gehen, lieber gen Ait Ben Haddou balancieren. Sich dabei mit den Augen an der vertrauten Berber-Architektur festhaltend. Ein biblisches Szenario, überthront vom Hohen Atlas. Alle Welt kennt seine Geschöpfe, Himmel über der Wüste, Lawrence von Arabien oder Gladiator…
Essaouira wehrt sich mit mächtigen Mauern gegen die Wucht der atlantischen Brandung. An jedem Morgen, seit zweitausend Jahren, schwärmen kobaltblaue Fischerboote aufs offene Meer. Heimkehrer entfesseln ihre Netze auf den Boden der Hafenpromenade, der sich für wenige Stunden in einen schillernden Teppich aus Seefischen verwandelt.
Gischt benetzt Gesichter. Salzluft, gewürzt mit Zeder und Eukalyptus. Der Duft der nahen Werft. Frisch gezimmert liegen Holzboote, wie sauber abgenagte Walgerippe. Monotone Klopf- und Sägeklänge bohren sich in Gehörgänge. Augen spiegeln den hibikuspink flammenden Abendhimmel…